Das grüne Komma
Die Rinde der Kiefer war zerknittert. Die gespreizten Äste ließen die Sonne tanzen. Unter der Rundung eines der Äste konnte man, wenn man genau hinschaute, ein kleines grünes Komma erkennen. Es war eine pralle, feste Raupe. Unbeweglich blickte sie auf das Blumenfeld direkt unter ihr. Sie kam jeden Tag, um ihren Blick in das Gold zu tauchen, das an den Stielen hing.
Dann stieg sie geblendet wieder hinunter. Sie schwankte durch das Gras, bis sie die ersten Blumen sah. Sie suchte sich eine nicht zu hohe aus. Sie rutschte den Stiel hinunter. Schließlich kam sie ganz nah an die Blütenblätter heran. Von unten war das Gelb weniger kräftig. Sie stützte sich auf die kleinen Kelchblätter und machte sich steif. Manchmal gelang es ihr, ein Blütenblatt zu berühren. Selten fand sie Halt und hielt sich daran fest. Sie konnte das gepuderte Herz erkennen. Dort träumte sie davon, sich hinzulegen. Dort würde sie ihren Kopf hineinstecken und trinken. Aber immer, wenn sie glaubte, sich hochziehen zu können, kippte ihr Unterkörper um. Die Blume zitterte und die Raupe gab auf. Sie fiel kugelförmig ins Gras. Und kehrte zurück.
An diesem Tag fühlte sie sich voller Kraft. Sie hatte sich an den zarten Blättern satt gefressen. Sie fühlte sich bereit.
Sie wählte ihre Blume aus und kroch langsam auf ihrem Stiel entlang. Plötzlich ließ ein Schatten sie erstarren. Als sie den Kopf hob, war sie von der Schönheit überwältigt. Zwei Flügel umgaben die Blütenkrone. Ein warmes Braun mit einem feurigen Schimmer, schwarze Zebrastreifen, orangefarbene Flecken und zwei dunkelrote Kreise. Winzige Samtschuppen warfen das Licht zurück. Eine Anmut in der Drapierung des Flügels, fließend.
In eleganter Langsamkeit enthüllte ein kräftigerer Schlag einen langen, schlanken Körper und weiche Antennen. Dann war nichts mehr zu sehen.
Die Raupe blieb lange Zeit regungslos, verdutzt. Sie kletterte wieder hinunter, mit einem verwirrten Kopf, in dem große, farbige Schleier leicht schwebten. Begeisterung und Schmerz. Der Glitzer, der Wind, das Herz der Blumen... Sie schleppte ihren schweren Körper.
Sie war sehr überrascht, als sie sich später dabei entdeckte, wie sie sich mit Seidenfäden umwickelte.